Sehr viele Menschen, die Spaß am Computerspielen haben, kennen das Gefühl: Jetzt ist gerade ein ganz ungünstiger Zeitpunkt aufzuhören! Ich muss erst einmal diese eine Aufgabe noch lösen! Und ehe man sich versieht, ist das Essen schon kalt, der Termin schon verpasst oder gar die Sonne schon aufgegangen. Es fällt schwer, sich von einem Spiel zu lösen, in dem man gerade auf einer Erfolgswelle schwimmt. Dieses Phänomen ist eine der konkreten Folgen der Dynamik, die Computerspielen innewohnt und die als Frust-Flow-Spirale (Frust und Flow) beschrieben wird.

Viele Spielerinnen und Spieler verbringen von dieser Dynamik getrieben ganze Wochenenden am Computer und riskieren Konflikte mit Eltern, in der Partnerbeziehung oder der eigenen Familie. Zwölf bis zwanzig Stunden oder mehr kann ein neues Spiel einen Spieler fesseln und so das Geschehen an einem Wochenende dominieren. Wenn dies hin und wieder geschieht, zeigt dies nur, dass sich die Spielerin oder der Spieler auf ein Spiel und seine Faszination eingelassen hat. Geschieht dies aber regelmäßig und dominiert Computerspielen die Freizeit, stellt sich zunehmend die Frage, ob die Erfolge im Computerspiel noch positive Ergänzungen der Erfahrungen im „real life“ sind, oder ob sie Defizite im offline-Leben kompensieren. Dies zu beurteilen ist weder für die Betroffenen noch für ihre Angehörigen leicht. Vor allem ist es schwer zu erkennen, ob diese ausgedehnte Beschäftigung mit Computerspielen nur eine begrenzte Durchgangsphase von wenigen Wochen oder Monaten darstellt oder ob sie sich im Sinne einer langfristig wirksamen Verhaltensänderung manifestiert.

Die Antworten auf die Fragen, ob neben dem Spielen am Computer noch andere Hobbys und Freizeitbeschäftigungen auf der Tagesordnung stehen, ob soziale Kontakte reduziert werden, ob die Computerspielzeiten verheimlicht werden oder ob durch Computerspielen Schul- oder Arbeitsleistungen sinken, sind wichtige Indikatoren dafür, ob mit dem Spielen Lebensdefizite kompensiert werden oder ob das Spiel lediglich der Unterhaltung dient.

Auch wenn Computerspiele erheblich mehr Zeit der Spielerinnen und Spieler beanspruchen als etwa ein Film, gilt: Irgendwann ist der höchste Level erreicht und das Spiel bietet bestenfalls Wiederholungen. Ist dieser Zustand erreicht, verliert das Spiel seine Bannkraft auf die Spielenden, denen es nun leichter fällt, in die reale Welt zurück zu kehren.

Anders sieht es dagegen bei Online-Spielen aus: Im Prinzip sind diese Spiele unendlich, das heißt zeitlich und inhaltlich nicht limitiert. Dadurch, dass sich in virtuellen Welten echte Menschen in virtueller Gestalt aufhalten, wird nicht nur der Schein sozialer Realität erzeugt, sondern es fließen auch immer wieder neue und einzigartige Impulse in das Geschehen ein. Zudem können die Server, auf denen Onlinespiele ablaufen, eine bei weitem bessere virtuelle Bühne bieten als der heimische PC. Deshalb ist es kein Zufall, dass Berichte von Computerspielsüchtigen in der Regel im Zusammenhang mit Online-Spielen genannt werden. Die Anziehungskraft gerade von Onlinespielen erzeuge eine Art „Infektion, Fiebrigkeit, die nicht so leicht wegzubekommen ist“.

Der Wunsch, sich (auch oder zumindest) in der virtuellen Welt zu bewähren, bestimmt vielfach die Gedanken der Spielenden auch dann, wenn sie offline sind. Sich in einer neuen, in gewissem Sinne lebendigen Welt zu bewegen ist für viele Spielerinnen und Spieler eine faszinierende, wenn auch viel Lebenszeit verbrauchende Erfahrung. Jeder Mensch entwickelt in dieser neuen Welt wie im „real life“ seine individuelle Strategie, die ihm hilft, einen ihm angemessenen Weg zu finden, mit dem er die Herausforderungen des Spiels bewältigen kann. Wird jedoch diese Erfahrung nicht ergänzend, sondern dauerhaft kompensatorisch genutzt, besteht die akute Gefahr, dass die Spielerin oder der Spieler das reale Leben mit seinen sozialen Bezügen, Pflichten und Herausforderungen aus den Augen verliert und mit erheblichen Konsequenzen rechnen muss.