Samstag in den frühen Morgenstunden ging die FMX 2010, die 15. Conference on Animation, Effects, Games and Interactive Media mit einer rauschenden Abschlussparty zu Ende. Die mit Abstand größte Fachveranstaltung rund um digitales Entertainment in Europa hatte zuvor das Stuttgarter Haus der Wirtschaft an seine Kapazitätsgrenzen gebracht. An allen vier Tagen fanden jeweils weit über 3.000 internationale Animationsexperten, Fachbesucher und junge Talente aus 41 Ländern trotz Parallelprogramm in zehn Sälen oft nur noch einen Platz auf dem Boden. Unverkennbar war dabei die Aufbruchstimmung einer Branche, die vom 3D-Stereo-Boom und dem globalen Erfolg effektgeladener Spielfilme profitiert, gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise. Vor allem aber vermittelte die FMX ihren Teilnehmern die vielbeschworene „immersive experience“, das vollständige Eintauchen in eine andere Welt – mit einer immensen Fülle an Vorträgen, fachlichem Austausch, neuen Erkenntnissen und Kontakten. Am treffendsten fasste wohl VFX-Oscar-Preisträger und FMX-Referent Volker Engel den Geist dieser Veranstaltung zusammen: „Don’t be a fan, be a maker.“
Grenzüberschreitend, die erste: über Landes- und Spezialisierungsgrenzen
Dass die FMX von Jahr zu Jahr mehr Besucher anzieht, daran haben sich die Organisatoren vom Animationsinstitut der Filmakademie Baden-Württemberg inzwischen gewöhnt. So lautete das Fazit dieses Jahr: 20% mehr Besucher. Echten Grund zur Freude für Prof. Thomas Haegele und sein Team lieferte jedoch die Zusammensetzung der Teilnehmer: 2010 waren in Stuttgart an allen vier Tagen jeweils weit über 3.000 Besucher aus 41 Nationen dabei – davon 60 % Professionals und 40 % Studenten. Diese Internationalität bildet den Geist einer kreativen Community ab, die konsequent auf globale Arbeitsmodelle setzt und im Lauf der letzten Jahre ihre ganz eigene Identität entwickelt hat. Auf der FMX findet diese Community exakt, was sie mag: eine Atmosphäre des offenen Austauschs, jede Menge Gleichgesinnte, eine strikt nicht-kommerzielle Ausrichtung und ein umfassendes Programm, das den Blick über den Tellerrand der eigenen Spezialisierung ermöglicht.
Grenzüberschreitend, die zweite: über die Mediengrenzen
Das heimliche Leitmotiv der FMX, das sich in fast allen Beiträgen wiederfand, hieß Crossmedia oder 360°: Denn künstlerische Inhalte werden heute von Anfang an über Genregrenzen und Formate hinweg konzipiert. Explizit um dieses Thema kreisten die drei Tracks der 360°-Sessions. „Beyond the Screen“ befasste sich mit Innovationen im Interface-Design. „Beyond the Format“ stellte Case Studies von Multi-Plattform-Projekten aus Europa und den USA vor. Der Co-Production Market schließlich brachte Anbieter von 25 crossmedialen Projekten aus den USA und Europa mit Produzenten anderer Mediensparten in Verbindung.
Grenzüberschreitend, die dritte: über die Dimensionen
Der aktuelle Diskurs um 3D oder präziser Stereoskopie spielte natürlich auch bei der FMX eine wichtige Rolle. Die illuster besetzte Vortragsreihe 3D Stereo im Kino Metropol ermöglichte Demonstrationen in Original-Optik. Bob Whitehill von Pixar (Oben, Toy Story 3), Jayme Wilkinson von Blue Sky (Ice Age 3) oder Ken Ralston, David Schaub und Corey Turner von Sony Pictures Imageworks (Tim Burtons Alice) sorgten nicht nur für Hollywood-Glamour, sondern für substanzielle Beiträge zu Ästhetik und Story-Telling in der dritten Dimension. Einen Schritt weiter in die nahe Zukunft gingen die Vorträge um die aufregenden Möglichkeiten des 3D Gaming, das den 3D-Seheindruck mit Interaktivität verknüpft.
Grenzüberschreitend, die vierte: in die visuelle Perfektion
Der neue Begriff Hybridfilm bringt ein Genre auf den Punkt, das derzeit an den Kinokassen für Einnahmerekorde sorgt. Die digitalen Bilder haben ein fotorealistisches Niveau erreicht, das sie vollständig mit den real gedrehten Szenen verschmelzen lässt. Sämtliche wichtigen Filme des letzten Jahres waren auf der FMX mit großen Specials vertreten: Avatar, Iron Man 2, Alice im Wunderland und 2012. Iron Man 2 feierte sogar seine Deutschland-Preview auf der FMX, inklusive einer Rede von ILM-Präsidentin Lynwen Brennan und einer sehr persönlich gehaltenenen Videobotschaft von Regisseur Jon Favreau. Immer spektakulärere Bilderwelten eröffnen aber auch Computerspiele. Viele der Games-Majors waren dank der Unterstützung der AIAS (Academy of Interactive Arts & Sciences) bei der FMX vertreten und referierten zu Neuerscheinungen, darunter Christophe Brusseaux von Quantic Dream (Heavy Rain), David Hego von Rocksteady Studios (Batman: Arkham Asylum), Saku Lehtinen von Remedy Entertainment (Alan Wake) sowie Ben Diamand und Bruno Velazquez von Sony (God of War 3).
Grenzüberschreitend, die fünfte: in die Animationsausbildung
Der School Campus übertraf einmal mehr alle Erwartungen. 22 Hochschulen aus Deutschland, Dänemark, der Schweiz, Schweden, Neuseeland, Österreich und Großbritannien präsentierten sich hier jungen Talenten auf der Suche nach dem passgenauen Studiengang, aber auch Unternehmen auf der Jagd nach vielversprechenden Absolventen. Viel Lob erntete auch die gelungene Verzahnung von offizieller Vorstellung in den School Presentations und der direkten Anschauung in den interaktiv und oft sehr witzigen Ständen auf dem School Campus.
Grenzüberschreitend, die sechste: in den globalen Job
Dass die FMX zu der europäischen Jobbörse für ein sehr spezielles Qualifikationsprofil avanciert ist, liegt sicherlich auch an der Organisation durch die renommierte Filmakademie Baden-Württemberg. Das hat sich herumgesprochen: Jeder dritte FMX-Besucher befindet sich noch im Studium oder ist Absolvent. Wie es danach weitergeht, darüber kann das Recruiting in Stuttgart entscheiden, das dieses Jahr einen größeren Run als je zuvor auslöste. In Präsentationen und in Einzelgesprächen konnten sich junge Talente, aber auch gestandene Professionals über Jobangebote bei den Global Players der Branche informieren und direkte Kontakte knüpfen: Folgende Unternehmen suchten 2010 auf der FMX nach neuen Mitarbeitern: Aardman Animations, Animal Logic, ARRI, Black Rock, Blue Sky, Cinesite, Crytek, Deutsche Telekom Product Design, Double Negative, DreamWorks, Framestore, Ilion Animation Studios, Lucasfilm, LIGA_01 Computerfilm, Mackevision, Moving Picture Company, Pixomondo, rise|fx, RTT, ScanlineVFX, Sony Pictures Imageworks, The Mill, Trixter Film, Ubisoft World Studios, Unexpected und Walt Disney Animation Studios.
Grenzüberschreitend, die siebte: Animationsfinanzierung
Der Animation Production Day (APD) am 4. & 5. Mai führte einmal mehr die wichtigsten Player der Branche zusammen. Die von FMX und dem Internationalen Trickfilm-Festival Stuttgart veranstaltete Finanzierungsplattform bringt in vorgeplanten Einzelgesprächen Kreative und Finanziers in Direktkontakt. 53 Unternehmen aus zehn Ländern verhandelten diesmal in mehr als 600 konzentrierten One-to-One-Meetings ihre neuen Projekte aus den Animationssparten Spielfilm, TV-Serie, Games und mobiles Entertainment. Das Produktionsvolumen betrug satte 83 Millionen Euro. Ein wichtiger Schwerpunkt 2010 war – wie könnte es anders sein – 3D Stereo. Schließlich werden in Europa bereits ein Drittel der künftigen Projekte stereoskopisch geplant. In der Konferenz Financing & Brands: Stereoscopic Strategies formulierten Produzenten, Einkäufer und Banken detaillierte Ziele für die Finanzierung und Refinanzierung stereoskopischer Animationsfilme.