„Zur Schließung aller Sicherheitslücken im Kampf gegen Raubkopien muss jeder Branchenteilnehmer aus Film- und Unterhaltungssoftware seinen Beitrag leisten“, so lautete das Fazit des zweiten Branchenforums „Prävention und Aufklärung“ am 5. Juni im Hamburger Radisson SAS. Auf Einladung der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen e.V. (GVU) trafen Rechteinhaber und Verbände beider Wirtschaftszweige, Kinobetreiber, Wissenschaftler und Anti-Piraterie-Organisationen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz mit technischen Dienstleistern zusammen. Insgesamt 14 teils internationale Unternehmen präsentierten Ansätze zur Sicherheit bei der Produktion, Sicherung bei Verteilung und Kinovorführung sowie Lösungen zum Erschweren und Behindern der illegalen Massenverbreitung im Internet. Mehr als 80 Teilnehmer diskutierten auf der ganztägigen Veranstaltung angeregt über geeignete Antworten auf aktuelle Trends und Entwicklungen im illegalen Markt.
Integrierte Ansätze
Wissensaustausch, Vernetzung der Branchen und verstärktes Zusammenspiel von Rechteinhabern und GVU standen im Mittelpunkt des Branchenforums. Zur Einführung informierte der GVU-Vorstandsvorsitzende, Christian Sommer, über aktuelle Entwicklungen in der Piraterielandschaft und bei der Verbreitung von Raubkopien. Bei anhaltendem Fokus der GVU-Tätigkeit auf die Quellen illegaler Kopien plädierte Sommer für ergänzende technische Lösungen auf der Massenverbreitungsebene. Im Kampf gegen Raubkopien seien solche Maßnahmen zunehmend entscheidend. Gleiches gelte für einen noch schnelleren und beständigen Informationsfluss, erläuterte der Vorstandsvorsitzende. Mit dem fortschreitenden Ausbau der GVU als „Intelligence Center“ der Branche forderte er auch weiterhin zur Mitwirkung der Rechteinhaber aus. So sei als ein Baustein in einem umfassenden Maßnahmenmix die eindeutige Identifizierbarkeit von Raubkopien-Quellen unabdingbar für das erfolgreiche Vorgehen gegen die illegale Schattenwirtschaft.
Beispiele für gelungenes Zusammenwirken von Maßnahmen der Rechteinhaber zum Schutz ihrer Produkte mit der Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen durch die GVU gab nachfolgend Jan Scharringhausen, Leiter der integrierten GVU-Rechts- und Ermittlungsabteilung. Anhand eines internationalen Falls, der in den USA seinen Anfang nahm und dessen Spur über Deutschland nach Australien führte, illustrierte Scharringhausen die Relevanz von forensischen Markierungen ebenso wie die große Bedeutung von fundierten Ermittlungen durch die Anti-Piraterie-Organisation: Verifizierte Erkenntnisse über die vernetzten Strukturen der illegalen Szene schaffen Voraussetzungen für die Austrocknung der Quellen von Raubkopien, forensische Markierungen wiederum stellen eine Grundlage für umfassende Analysen dar.
Sicherheitstechnologien als Voraussetzung für Schutz und effektive Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen
Im Anschluss an die Einführung in großer Runde startete der interaktive Teil der Veranstaltung mit jeweils zwei bis drei parallelen Fachvorträgen. Zum Thema „Sicherheit bei der Produktion“ erläuterten insgesamt fünf Referenten unterschiedliche Ansätze: Rimage und Thomson STS präsentierten gemeinsam eine Lösung für die automatische Produktion von Video-DVDs in Kleinstserien – wie etwa Screenern – inklusive Kopierschutz und Wasserzeichen. Eindruckvoll veranschaulicht wurde der Vortragsinhalt durch die Produktion von Tagungs-DVDs mittels eines Kopierroboters.
Das Unternehmen X-PROTECT wartete mit einer Deutschlandpremiere auf: Inhaber Oliver Koch stellte das neu entwickelte System X-PROTECT Blue vor – eine Kopierschutztechnologie für Blu-Ray-Discs sowie herkömmliche DVDs. Verschiedene Aspekte dieser Lösung wurde im Verlauf des Tages wiederholt von diversen Tagungsteilnehmern diskutiert. Volkmar Breitfeld, Geschäftsführer der ACE GmbH, präsentierte mit flux-DVD und Flick Rocket Möglichkeiten zum Sicherung von Video-on-Demand und Download-to-own-Angeboten. Sony DADC gab einen Ãœberblick über sein Portfolio und erklärte sein System ARccOS im Detail.
Schutz vor Raubkopien bei Verteilung, Vorführung und Lagerung
„Sicherheit bei Verteilung und Vorführung“ stand im Zentrum von insgesamt vier Referaten. TS Provide mit 26 Jahren Kompetenz in Sachen Filmkennzeichnung gab einen Ãœberblick über den Kodierungsablauf bei 35mm-Filmkopien, stellte die Analysekette zur Identifizierung von illegalen Quellen durch solche Markierungen vor und wies auf die Gefahren eines freizügigen Umgangs mit DTS Discs hin. In der anschließenden Diskussion tauschten sich die Forumsteilnehmer über Schutzmöglichkeiten vor dem unerlaubten Kopieren solcher Scheiben aus und thematisierten unter der Fragestellung „Wie viel Sicherheit verträgt eine Filmkopie“ die Problematik und Gefahren wahrnehmbarer Markierungen in Bild und Ton.
Anschließend veranschaulichte die EFS Gruppe ihren Sicherheitskreislauf einer 35mm Filmkopie von der Production bis zum Recycling. Das Team aus MMmedia und Escon Security Services gab einen Einblick in die praktische Absicherung von Pre-Release-Vorführungen für die Presse, bei Filmpremieren und Previews. Daran anschließend konnten Interessenten die Funktionsweise von Kamerafindern im Rahmen dieses Workshops testen.
Die drei nach außen gerichteten Ansätze zum Schutz der Originale ergänzend, thematisierte der Vortrag von arvato digital services innerbetriebliche Sicherheitsmaßnahmen. Unter dem Titel „Schutzmaßnahmen eines Presswerks gegen Diebstahl“ informierte Referent Klaus-Peter Schulte ebenso anschaulich wie fundiert über organisatorische und technische Bedingungen und Umsetzungsmöglichkeiten für den Originalschutz im eigenen Unternehmen.
Wider die illegale Online-Massenverbreitung
Mit Lösungen zum Erschweren und Behindern der Massenverbreitung im Internet beschäftigten sich die Beiträge von fünf weiteren Anbietern. P4M – Die InternetAgenten demonstrierten live im Internet ein Vorgehen gegen die Verbreitung von Raubkopien über Sharehoster, gefolgt von einer kontrovers geführten Diskussion über effektive Strategien zur Löschung entsprechender Links. Vertreter von Mbargo, einem Unternehmensbereich der arvato digital services, berichteten über die erfolgreiche Störung der Verbreitung von Raubkopien in so genannten Tauschbörsen, wie etwa der für Filmraubkopien am häufigsten genutzten BitTorrent-Technologie. Auch an diese Präsentation schloss sich ein lebhafter Gedankenaustausch an. Dabei stand insbesondere das Vorgehen bei Trackern – einem zentralen Element der BitTorrent-Technologie – im Vordergrund.
Insbesondere das Auffinden von Raubkopien in Internet bildete den Dreh- und Angelpunkt der drei folgenden Beiträge. Dazu informierte das US-amerikanische Unternehmen Audible Magic über Fingerprinting-Lösungen als Antwort auf die illegale Verbreitung in offenen Netzwerken mit User Generated Content. Zusätzlich gab Referent Mike Edwards einen Einblick in die technische Umsetzbarkeit des „Graduated Response Systems“ – eines abgestuften Sanktionsmechanismus zur Handhabung von massenhaften illegalen Downloads.
Auf die Bedeutung eines umfassenden Monitorings für die erfolgreiche Bekämpfung von Raubkopien im weltweiten Netz wies das dänische Unternehmen DtecNet hin. Denn nur, wenn Rechteinhaber und Anti-Piraterie-Organisationen detaillierte Kenntnisse über die regional unterschiedliche Nutzung verschiedener P2P-Technologien, Social Websites, Streaming Seiten oder auch des Usenet vorliegen, können Gegenmaßnahmen umgehend und zielgerichtet ergriffen werden, berichtete Thomas Sehested, CEO von DtecNet.
Als fünfter Vortragender zum Urheberrechtsschutz im Internet demonstrierten das Fraunhofer SIT und die Watermark AG Ansätze zur rekursiven Täterermittlung durch individualisierte Transaktionswasserzeichen. Referent Patrick Wolf stellte dabei die Voraussetzungen für das Finden illegaler Kopien in den Vordergrund. Er empfahl die Frage voranzustellen, wie und wo der Nutzer illegale Angebote im Internet sucht.
Dazu Christian Sommer, Vorstandsvorsitzender der GVU: „Das Branchenforum in nunmehr zweiter Auflage hat in jeder Hinsicht neue Maßstäbe gesetzt. Diese ‚Anti-Piracy Messe’ war Informations- und Aufklärungsveranstaltung sowie Marktplatz zugleich. Die äußerst positive Resonanz belegen den Erfolg dieses Konzepts, das europaweit, wenn nicht weltweit das einzige dieser Art ist. Wir werden diese Veranstaltung mit Sicherheit auch im nächsten Jahr durchführen.“